Hier nun die ganze Stellungnahme zum Haushalt der Stadt Brackenheim am 22.04.2021
Hoffnung ist eine große Macht, vielleicht die größte von allen. Im Hoffen liegen Kraft zum Weitermachen, zum Nichtaufgeben, und Hoffnung wird nicht verstanden als Herumsitzen und Abwarten, bis das Richtige sich irgendwie einstellt, sondern sie „verlangt Menschen, die sich ins Werdende tätig hineinwerfen“. Mit diesen Worten von Ernst Bloch aus seinem Buch Prinzip Hoffnung, möchte ich
Sie Herr Bürgermeister Csaszar, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates und alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Brackenheim grüßen.
Heute ist ein historisches Ereignis in der Brackenheimer Stadtgeschichte. Zum ersten Mal seit den Wahlen im Jahre 2019 wird die Fraktion der Grünen eine Stellungnahme zum Haushalt abgegeben. Wir bedauern sehr, diese auf Grund der Coronapandemie nicht im üblichen Rahmen präsentieren zu können.
Wenn wir den Blick in das 647 Seiten umfassende Haushaltswerk werfen, es anschauen und studieren, können wir dankbar sein, dass wir mit Herrn Leonhardt einen Mann in der Kämmerei haben, der mit unfassbarer Freude und Begeisterung seiner Arbeit nachgeht. Mit dieser Freude bringen Sie uns ehrenamtlichen Stadträtinnen und -räten den Haushalt nahe, indem Sie uns ausführlich und geduldig das Zahlenwerk in einem Vorbericht und in einer Präsentation erklären.
So wissen wir nun, dass wir trotz Pandemie und deren negativen Folgen auf Grund von Zuweisungen von Land und Bund im Jahre 2020 einen ausgeglichenen Haushalt hatten, es aber so nicht weitergehen wird.
Der Haushalt 2021 weist ein Defizit von mehr als 5 Millionen Euro auf. Aber wir haben die Hoffnung, dass wir das Tal der roten Zahlen im Jahre 2025 wieder verlassen werden. Immer natürlich vorausgesetzt, dass uns nicht etwas Unvorhergesehenes wie z.B. eine Pandemie überrascht.
Die Strategie die wir für die kommenden Jahre verfolgen, heißt Sparen und trotzdem antizyklisch zu investieren.
Wir müssen Sparen an Dingen, die man als Kür bezeichnen kann.
Hierzu gehört für uns Grüne die Erschließung neuer Baugebiete, wie z.B. Schulzentrum III. Keiner kann sagen, dass dort dringend notwendiger Wohnraum entsteht. Die Planungen des Wohngebietes wurden vor 5 Jahren begonnen. Niemand hätte sich damals erträumen lassen, dass die Innenentwicklung und damit auch die Nachverdichtung in Brackenheim in einem Ausmaß stattfinden wird, wie wir es aktuell erleben. Laut Wohnbaukonzept benötigen wir nur 28 WE/Jahr um ein gesundes Städtewachstum zu erreichen. Wir haben aber im letzten Jahr 141 Wohneinheiten und auch in den ersten 4 Monaten dieses Jahres bereits 95 Wohneinheiten in Ein- und Mehrfamilienhäuser genehmigt. Wir übertreffen damit die Vorgaben des Wohnbaukonzeptes um ein Vielfaches. Worin wir aber unser Wohnbaukonzept nicht einmal im Promille Bereich erreichen, ist beim Thema bezahlbarer Wohnraum. Bei allem was wir heute wissen wird dies auch im Schulzentrum III leider nicht möglich sein! Die Erschließungskosten sind so hoch, dass die Bauplatzpreise keinen bezahlbaren Wohnraum zulassen, ohne, dass wir im Stadtrat sagen, wir nehmen ein Defizit der Einnahmen in Kauf. Dies lässt wiederum der Haushalt nicht zu. Somit erhalten wir Bauplätze, für Menschen, die es sich leisten können. Müssen oder wollen wir für diese Menschen Bauplätze erschließen? Wir, die Fraktion der Grünen sind davon überzeugt, dass wir alleine wegen den Folgekosten, die das Schulzentrum III mit sich bringt, die Planungen in der Schublade verschwinden lassen sollten und unsere Hausaufgaben erledigen sollten indem wir endlich, wie schon mehrmals gefordert und beantragt, einen Plan entwerfen wie wir bezahlbaren Wohnraum erhalten.
Wir Grüne sind grundsätzlich der Auffassung, dass nicht nur die üblichen Folgekosten für Infrastruktur, Erziehung und Bildung als Faktoren zu berücksichtigen sind. Spätestens seit der Sitzung zum Thema Wasserbedarf der Gesamtstadt Brackenheim müssten wir erkannt haben, dass hier ein weiterer begrenzender Faktor ins Spiel kommt, den bisher niemand im Blick hatte.
Unsere Frischwasserversorgung hängt zu 75% vom Bodenseewasser ab. Dieses Bezugsrecht ist ausgeschöpft und stößt jetzt schon an seine Grenzen. Wir bauen, wie schon erwähnt im Innenbereich in einem noch nie dagewesen Ausmaß und vergessen, dass jede Wohnung die hier entsteht, pro Person durchschnittlich 127 Liter Wasser pro Tag benötigt. Somit haben wir allein durch die Nachverdichtung einen höheren Bedarf, den es zu berücksichtigen und zu berechnen gilt. In Zahlen ausgedrückt heißt dies: bei 95 Wohnungen benötigen wir rund 18.000 Liter mehr Wasser pro Tag, wenn man von einer durchschnittlichen Belegung von 1,5 Personen pro Haushalt ausgeht. Wo setzen wir an, wenn das Wasser nicht mehr fliest? Wem geben wir die Schuld?
Zum Thema Sparen haben wir noch weitere Ansätze, so ganz nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“. Zwei davon werden wir hier vorstellen.
Im Haushalt sind € 20.000 für Elektro-Tankstellen geplant. Mit diesem Betrag sollen zwei Elektro-Tankstellen von der Stadt finanziert werden. Wenn wir hergehen und daraus ein Projekt gestalten hätten wir am Ende mehr davon. Wir schlagen vor, dass jeder, der eine Lademöglichkeit installiert und diese für die Öffentlichkeit zugänglich macht, 10% der Kosten von der Stadt erstattet bekommt.
Auch die € 16.000, die wir jährlich für die Bereitstellung von Crossiety aufbringen, sollten wir zeitnah noch einmal im Stadtrat diskutieren. Der Vertrag ist auf 2 Jahre befristet und läuft in den nächsten Monaten aus. Wenn wir nicht rechtzeitig darüber reden, läuft er vielleicht sogar unbefristet weiter. Vor 2 Jahren hatten wir Grünen schon das Gefühl, dass hier etwas an uns vorbeigelaufen ist und dieses Gefühl werden wir nicht los. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung ist es wichtig crossiety weiter nutzen zu können. Wir haben auch von einem Verein und einer Schule gehört, dass sie die diese Plattform rege nutzen. Nur ist damit leider nicht klar, ob der Nutzen dieser APP tatsächlich den finanziellen Rahmen rechtfertigt. Zumal es in der Zwischenzeit kostenlose Alternativen gibt. Darüber müssen wir dringend sprechen.
Und nun einige Ideen zum Thema Investitionen: An erster Stelle, müssen in Zukunft Investitionen einer Nachhaltigkeitsprüfung unterzogen werden. Nicht unser Bauchgefühle sollte darüber entscheiden, ob eine Investition für gut oder schlecht zu bewerten ist. In diesem Sinne stellen wir den Antrag, dass von der Stadtverwaltung ein verbindlicher Nachhaltigkeitskatalog ausarbeitet wird, der dem Stadtrat noch im Jahre 2021 zur Diskussion und zum Beschluss vorgelegt wird.
Im Haushalt ist seit dem Jahr 2013 eine Summe von € 50.00 für ein Mobilitätskonzept eingestellt. Bleibt zu hoffen, dass wir es bis zum 10-jährigen Geburtstag genutzt haben. Darin sollte unbedingt neben dem ÖPNV auch eine Radschnellstraße für das Zabergäu beleuchtet werden und eine Lösung für die parkenden Autos, die in allen Ortsteilen die Durchfahrtstraßen blockieren und dadurch einen flüssigen Verkehr verhindern. Wir Grünen möchten aber nicht mehr warten, bis dieses Geld in die Hand genommen wird. Auch wollen wir nicht warten, bis der Landkreis und die Landesregierung sich mit der DB einigt oder auch nicht. Wir können uns vorstellen, zumindest für den Radverkehr Verbesserungen zu erzielen, die wenig Kosten und sich zügig realisieren lassen. Schauen wir doch in andere Orte und Kommunen, in denen es seit dem Ausbruch der Pandemie zu sogenannten Pop-up-Radwegen kam - eine feine Sache, die sich in so mancher Brackenheimer Straße ohne großen Aufwand umsetzten lassen würde.
Des Weiteren sollten die Vorgaben hinsichtlich der Wohnbaugestaltung nachhaltiger sein. Wir Grüne können es nicht mehr hören, dass wir nichts machen können, gegen die Pläne von Bauträgern, die die heutige nachhaltige Bauweise schlicht und ergreifend nicht umsetzen, weil es nach den alten Bebauungsplänen nicht gefordert wird. Bei den Bebauungsplänen sprechen wir von Schriftstücken die bis zu 6o Jahre alt sind, d.h. schlicht und ergreifend aus dem letzten Jahrhundert stammen. Wir sind aber verantwortlich für die Erhaltung einer lebenswerten Welt im jetzigen und auch im nächsten Jahrhundert. Die Zeiten haben sich geändert und es kann nicht sein, dass wir Bebauungspläne die von unseren Ahnen aufgestellt wurden, nicht verändern können. Diese Bebauungspläne sind Ursache für Fehlentwicklungen, die sich in Wohnblocks widerspiegeln, die sich nicht in die Umgebungsbebauung einfügen.
Wir können uns auch ganz allgemeine Bestimmungen vorstellen, die alle Bebauungspläne einschließen, wie z.B. die Übernahme der Forderung aus dem Wohnbaukonzept für bezahlbaren Wohnraum. Sind solche allgemeinen Veränderungen möglich?
Wir fordern die Solidarität mit den Menschen, die vor einem Jahr bejubelt und beklatscht wurden, nicht nur mit guten Worten, sondern auch mit Taten. Hierzu gehört für uns bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, damit diese Menschen und Ihre Familien, die vorwiegend im Dienstleistungssektor tätig sind, mit Ihrem Gehalt auch ohne Finanzsorgen wohnen und leben können.
Wir Grüne sind der festen Überzeugung, dass wir Familien entlasten müssen, da dies sehr nachhaltige Investitionen sind. Sind nicht die heutigen Kinder die Zukunft dieser Stadt? Die Grünen möchten Kindergartenfreibeträge ermöglichen. Dies sollte aber schrittweise geschehen, da wir nicht vergessen haben, dass der Finanzhaushalt angespannt ist.
Wir möchten zuerst einmal Familien, die einen Wohnberechtigungsschein haben, den Kitaplatz und auch die Kernzeitbetreuung gratis anbieten, wenn beide Eltern berufstätig sind und auch sein müssen. So können wir auf diesem Weg dazu beitragen, dass Familien, die trotz Berechtigung keinen bezahlbaren Wohnraum finden, entlastet werden. Wer denkt, das ist zu teuer, sollte sich auch darüber Gedanken machen, dass es die Familien und Ihre Kinder sind, auf deren Kosten wir heute den Finanzhaushalt 2020 ausgleichen konnten.
Zum Schluss kommend, möchte ich mich besonders an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung wenden. Wir Grünen schätzen Ihre Arbeit und Ihr Fachwissen sehr, zumal Sie dabei immer freundlich und hilfsbereit sind, ein Klasse Team! Vielen Dank für Ihre Arbeit und Ihren Einsatz!
Nichtsdestotrotz haben wir den Wunsch, die Zusammenarbeit weiter zu optimieren.
So haben wir leider bis heute, trotz mehrmaliger Erinnerung und Nachfrage, noch keine ausführliche Einführung ins RIS erhalten. Dabei ist dies unser wichtigstes Arbeitsmaterial, um uns auf Sitzungen vorzubereiten.
Außerdem ist für uns nicht nachvollziehbar, wie es dazu kommen kann, dass immer wieder die rechtliche Lage in der einen Sitzung so und in der anderen wieder anders ausgelegt wird. Wir wissen, dass deutsches Recht nicht einfach und oftmals nicht eindeutig ist, aber wir erwarten, von Anfang an, alle Facetten einer Angelegenheit zu hören, damit wir uns rechtzeitig ein umfassendes Meinungsbild beschaffen können.
Ein weiterer Wunsch ist, dass die Tagesordnung so aufgestellt wird, dass wir nachts ab 22:00 Uhr, wenn bei uns Ehrenamtlichen der Arbeitstag schlicht und ergreifend keine allzu große Aufmerksamkeit mehr zulässt, keine wichtigen und oft zukunftsweisenden Themen mehr abzustimmen haben. Unsere Aufmerksamkeit ist nach 3 bis 4 Stunden - ohne Pause - schlicht weg am Ende und der Druck, dass wir eigentlich schnellstens zum Ende kommen sollten, ist für solche Beschlüsse nicht hilfreich.
Zu diesen nächtlichen Zeiten sind wir zwar fähig jegliche Sachverhalte und Ideen, auch Konzepte, Gutachten und Berichte jeglicher Art zu registrieren, aber Entscheidungen zu treffen, die eine große Tragweite haben, sind zu diesen Zeiten unverantwortlich.
Deshalb sollten Beschlüsse mit weitreichenden Auswirkungen in den vorderen Tagesordnungspunkten zur Diskussion und zur Abstimmung kommen. Hier erbitten wir einen Lösungsvorschlag.
Einen ersten Schritt sehen wir darin, dass seit einiger Zeit bei der Sitzungseinladung die Zeiten, die für den Punkt von der Stadtverwaltung geplant werden, hinter den Tagesordnungspunkten zu finden sind.
Zum Schluss befürworten wir die Idee einer öffentlichen Aussprache im Sommer zu einer nachträglichen Stellungnahme zu Themen der Kommunalpolitik, da wir heute nur einige wenige Punkte, die uns am Herzen liegen, angesprochen haben.
Danken möchte ich allen Stadtratskolleginnen und Kollegen für die gute Zusammenarbeit. Herrn Bürgermeister Csaszar danken wir für seine offene und konstruktive Sitzungsleitung. Wir bedauern es sehr, dass es seit seinem Amtsantritt so gut wie keine Möglichkeit gab bei der die Bürgerinnen und Bürger ihn näher kennenlernen konnten, doch wir hoffen, dass diese Zeit bald überstanden ist. Außerdem haben wir die Hoffnung, dass der Stadtrat mit Herrn Csaszar und seinem Team in gemeinsamen konstruktiven Gesprächen viel Gutes für die Stadt und das Wohl der kommenden Generationen erreichen kann.
Und hier schließt sich der Kreis: Hoffnung ist eine große Macht!
Die „Grünen“ von Brackenheim werden dem Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung zustimmen.
Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit